Reti Medievali Rivista, IV - 2003 / 1 - gennaio-giugno |
Iolanda Ventura
Die moralisierten Enzyklopädien des späteren Mittelalters: ein Überblick unter Berücksichtigung der Fallbeispiele des "Lumen Anime", des "Liber de exemplis et similitudinibus rerum" und des "Liber Similitudinum Naturalium"
Testo | Bibliografia | Apparati | Abstract |
© 2003 - Iolanda Ventura per "Reti Medievali" |
Die Gattung der moralisierten Enzyklopädie ist erst seit einigen Jahrzehnten zu einer eigenen Richtung in der Enzyklopädieforschung geworden. Der erste, der die Literaturforschung auf diese Texte aufmerksam gemacht hat, ist J.Th.Welter: Ein Kapitel seines Essays über die für die Predigt bestimmten Exempelsamlungen gewidmeten betraf die Texte, die jede Tugend und jedes Laster nicht mit aus der alten Geschichte, aus der Mythologie, aus den Heiligenleben gewonnenen Beispielen verband, sondern mit einigen Dingen und Phänomenen aus der Natur, aus den Eigenschaften der Edelsteine oder der Pflanzen, aus dem Leben der Tiere. Diese Kompilationen bilden einen besonderen Teil der Gattung der Exempelsammlungen, die besondere Überlieferungs- und Inhaltsfragen stellt. Anders als bei den aus dem Bereich der Geschichte oder der Hagiographie gezogenen Beispielen entwickelt sich das Corpus der Eigenschaften der Natur zusammen mit den wissenschaftlichen Kenntnissen des Mittelalters und mit den Fortschritten der didaktischen und enzyklopädischen Literatur, von denen die Predigtliteratur Inhalte und Perspektiven übernimmt und sie den Bedürfnissen ihres Publikums anpaßt. Ausserdem stellen die Similitudinessammlungen wegen ihres Zieles, durch die Beschreibung der Natur eine Deutung des menschlichen Lebens anzubieten, eine Etappe einer reichen kompilatorischen Tradition dar: Aus der Spätantike stammt zum Beispiel die erste Fassung des ‘Physiologus’, eine Sammlung von allegorisierten Mirabilia aus der Welt der Tiere, die einen großen und andauernden Erfolg durch das Mittelalter erlebt. Die Verbindung zwischen Naturbeschreibung und moralischer Naturdeutung ist (in verschiedenen Kontexten) eines der wesentlichen Merkmale verschiedener mittelalterlicher enzyklopädischer Kompilationen: wir haben zum Beispiel gesehen, daß das Hauptziel des Hrabanus Maurus mit seinem De universo das Angebot einer allegorisierten Repräsentation der aus Isidor und anderen Quellen gewonnenen wissenschaftlichen Daten als Hilfsmittel für die Bibelexegese ist. Im 13. Jahrhundert, d.h. während der ‘goldenen Zeit’ der enzyklopädischen Literatur, werden drei Kompilationen verfasst, die eine besondere Beliebtheit unter den Predigern erlangen: die Werke De Naturis Rerum des Alexander Nequam, De Proprietatibus Rerum des Bartholomäus Anglicus, und De natura Rerum des Thomas von Cantimpré. Der wissenschaftliche Teil der Kompilation des Alexander Neckham besteht aus zwei Büchern und wurde Ende des 12.-Anfang des 13. Jahrhunderts verfasst: Ihr Autor verbindet deutlich das didaktische Ziel des Werkes mit der allegorischen Interpretation des dargestellten Materials, wenn die angeführten Daten ihren Sinn als Hinweis auf ein moralisches Lehren bekommen. Das Werk des Bartholomäus Anglicus wurde von seinem Autor als für die Bibelexegese bestimmtes Hilfsmittel verfasst; es enthält in einem großen Teil der Handschriften eine Reihe von Randnoten moralischer Bedeutung, die eine Allegorisierung der einzelnen Eigenschaften der natürlichen Dinge vorschlagen (Nota de bonis prelatis, Nota de Christo, Nota contra luxuriosos usw…). Diese Randnoten waren möglicherweise Bestandteil schon der ursprünglichen Fassung des Textes; dieses System der moralischen Adaptation des Materials ist auch in den Handschriften des Werkes des Alexander Neckham zu finden. Die Kompilation des Thomas von Cantimpré wird immer neu bearbeitet, adaptiert, ‘aktualisiert’, wie die verschiedenen, von C.W.Hünemörder erforschten Fassungen zeigen; ihre Kapitel bieten schon in der ersten Fassung moralische Interpretationen des Materials. Eine besondere Rolle spielt im Bereich der Predigerenzyklopädien das Speculum Maius des Vinzenz von Beauvais. Tatsächlich ist die Benutzung des Speculum Historiale in den historischen Beispielen gewidmeten Exempelsammlungen nachgewiesen worden; im Gegensatz dazu ist die Präsenz des Speculum Naturale in den moralisierten Enzyklopädien noch zu erforschen. Ausserdem benutzt Vinzenz von Beauvais ausführlich De Natura Rerum des Thomas von Cantimpré, schliesst aber alle Moralisationen aus. Trotz der scheinbaren Ferne des Speculum aus der Welt der allegorisierbaren Enzyklopädien ist Vinzenz von Beauvais der von den Predigern am häufigsten zitierte Autor; ein Grund dafür könnte vielleicht in der besonderen Struktur des Werkes liegen, in dessen Excerpta konnten die Kompilatoren die von Ihnen gesuchten Daten und Auctoritates finden. Es muß aber zugegeben werden, daß die Untersuchung der Präsenz der Enzyklopädien in den moralisierten Moralitatessammlungen dadurch schwierig wird, daß diese Texte nur selten als Quellen erwähnt, und immer als Vermittler anderer Quellen bezeichnet werden.
Die Kompilationen des Alexander Neckham, des Bartholomäus Anglicus und des Thomas von Cantimpré stehen nicht nur ‘für sich selbst’, wegen ihrer Struktur und ihres Inhalts als Hilfsmittel für die Predigt; sie vermitteln auch anderen Autoren das Material, das für die Abfassung neuer Sammlungen moralisierter Enzyklopädien benutzt werden kann. Hier werden drei von diesen Kompilationen näher berücksichtigt, d.h. das dem Berengarius de Landorra mit Sicherheit zugeschriebene Lumen Anime, der Liber de Exemplis et Similitudinibus Rerum des Johannes de Sancto Geminiano, der Liber Similitudinum Naturalium des Konrad von Halberstadt. Diese drei Texte können als Gruppe zusammengefasst und zusammen behandelt werden, weil sie einige gemeinsame Kennzeichen besitzen. Alle wurden während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und von Mitgliedern des Dominikanerordens verfasst; die Herkunft des ersten läßt sich zwischen Frankreich und Spanien, des zweiten in Italien, des dritten in Deutschland (Magdeburg) festlegen. Die Kompilatoren bedienen sich derselben Struktur und inneren Organisation der Werke, d.h. der alphabetischen Anordnung einiger auf den Significata (Tugenden und Laster) aufbauenden Stichwörter. In dieser Hinsicht bezeugen diese Werke den Sieg der systematischen über die logische Ordnung des Materials in Spätmittelalter und unter den Hilfsmitteln der Mendikantenorden. Die Überlieferung dieser Werke konzentriert sich zum größten Teil auf deutschem Gebiet; diese Besonderheit der Verbreitung wurde von den Forschern zum Teil mit der auffälligen Blüte der homiletischen Tätigkeit im deutschsprächigen Gebiet, zum Teil mit dem Interesse der deutschen Mendikantenorden für die wissenschaftliche Literatur erklärt. Diese Werke lassen sich aber auch wegen eines besonders wichtigen Merkmals zur Gruppe verbinden: Sie zeigen verschiedene Fallbeispiele des Verhältnisses der Kompilatoren zu den Enzyklopädien des 13. Jahrhundert. Die von diesen Texten angebotenen Daten werden von den Predigern nicht nur exzerpiert und unkritisch abgeschrieben, sondern auch im bezug auf die Bedürfnissen des Autors und seines Publikums bearbeitet, reorganisiert, umformuliert. Die Bearbeitung des Materials, die sich manchmal mit auffälligen Abweichungen von der Quelle verbindet, läßt uns besser begreifen, daß die Kompilatoren der Moralitatessammlungen nicht total abhängig sind von den Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts, sondern versuchen, Werke mit einer spezifischen Identität, mit einem spezifischen enzyklopädischen Anspruch zu schaffen.
Das Lumen Anime ist in drei verschiedenen Versionen in ca.200 Handschriften erhalten. Diese Versionen sind voneinander unabhängig, obwohl sie diesselbe Struktur und dasselbe Quellencorpus haben. Die Versio A ist in 11 Handschriften zu lesen, und wurde zwischen 1318 und 1330 von Berengarius de Landorra, dem dominikanischen Vicarius generalis und Erzbischof von Compostella (†1330) verfasst. Nach seiner eigenen Aussage im Prolog wurde er vom Papst (Johannes dem XXII.) aufgefordert, das Werk zu schreiben; die Abfassung und die Exzerption aus den Quellen hat mehr als 30 Jahre in Anspruch genommen. Die Quellen werden von ihm in 3 Gruppen unterschieden: In der ersten Gruppe befinden sich die Werke, die er in dem Grab cuiusdam gentilis Barzinone gefunden habe, in der zweiten diejenigen, die ihm durch Albertus Magnus bekannt geworden, in der dritten diejenigen, die ihm von einem Juden geschenkt worden seien. Hinter dieser Geschichte, die die dreifältige Herkunft des Wissens symbolisiert, verbirgt sich das Corpus der Quellen des Lumen Anime A, unter denen wir die Problemata des Pseudo-Aristoteles, die Werke des Albertus Magnus, die Enzyklopädien des Plinius und des Solinus finden, und für die eine grundsätzliche Untersuchung noch aussteht. Es kann aber schon behauptet werden, daß Aristoteles und Albertus Magnus nicht zu den Quellen der Enzyklopädien gehören, und werden erst seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts benutzt. In dieser Hinsicht scheint das Lumen Anime ganz unabhängig von der Wissensvermittlung der Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts zu sein. Was die Struktur betrifft, besteht das Lumen Anime A aus 73 alphabetisch geordneten und auf den Significata aufgebauten Stichwörtern. Das Stichwort enthält ein oder mehrere Beispiele aus der Bereich der Natur, zusammen mit einer knappen Moralisation, die mit Ausdrucken wie “Sic” oder “Cuius ratio est” eingeleitet und von einem Zitat aus der Bibel oder aus patristischen Werken begleitet wird. Die Beispiele sind aus verschiedenen Bereichen der Natur (Pflanzen, Edelsteine, Astronomie) genommen; es fällt aber auf, daß die Astronomie besonders beliebt ist. Die Struktur ist sehr genau und streng, d.h. Beispiel + Eigenschaft /Auctoritas + Moralisation sind in einer one-to-one Verbindung zusammengestellt, das dient dem Ziel eines einfachen Nachschlagens. Dieses Ziel bestimmt auch die graphische Anordnung der handgeschriebenen Seite und des einzelnen Stichworts.
Unschärfen gibt es bei der Versio B des Lumen Anime, die aus dem Jahr 1332 stammt und wahrscheinlich von Gottfried von Vorau verfasst wurde. Der Text wird um drei Bücher ausgeweitet, die eine Proprietatessammlung mit 76 längeren als den 73 der Fassung A Stichwörtern, einen Tugenden und Laster in Form von Personifikationen behandelnden Traktat und eine aus dem Manipulus Florum gewonnene Auctoritatessammlung moralischen Inhalts mit 267 Stichwörtern bieten. Gottfried bearbeitet auch die innere Struktur der einzelnen Lemmata, indem er alle patristischen Auctoritates in den dritten Teil setzt. Jedes Beispiel wird mit zwei Eigenschaften und konsequent mit zwei verschiedenen wissenschaftlichen Autoritäten bewiesen. Auch bleibt die Anordnung der Stichwörter in diesem Teil nicht mehr streng alphabetisch, sondern ist logisch-alphabetisch komponiert: Nach einigen Gott, der Trinität, der heiligen Jungfrau, den Aposteln und den Heiligen gewidmeten Teilen folgen zwei alphabetische Serien, eine Reihe A-D und eine Reihe A-S. Das Werk ist nur in 3 Handschriften und in drei Inkunabeln komplett erhalten: Die verschiedenen Teile sind aber auch unabhängig überliefert.
Schliesslich folgt die Versio C, das sogenannte ‘kleine Lumen Anime’, von einem Anonymus vor 1357 verfasst: diese Fassung ähnelt A mit ihrem einzigen Buch und ihren auf dieselbe Weise strukturierten Stichwörtern. Der Kompilator erlaubt sich aber eine große Unabhängigkeit, indem er das ihm zur Verfügung gestellte Material kurz zusammenfasst, hinzufügt, reorganisiert. Sein Ziel scheint eine Vereinfachung des Nachschlagens und der Benutzung gewesen zu sein; und die Benutzbarkeit des Werkes ist auch der Grund seines großen Erfolges: die von R.H. und M.A.Rouse aufgelisteten Handschriften sind 68.
Das Lumen Anime mit seinen Fassungen stellt sich als perfektes Beispiel der Predigerenzyklopädie vor: dieser Text bietet keine feste oder geschlossene Struktur, sondern ein ‘schwankendes System’, das immer bearbeitet und den verschiedenen Bedürfnissen angepaßt werden kann. Das einzige beständige Kennzeichen des Werkes ist das Überwiegen der alphabetischen Ordnung, die die Wichtigkeit der moralischen Lehre im Vergleich zum wissenschaftlichen Material betont. Ausserdem ist est schwierig, die Rolle der Eigenschaften der Natur in dem Lumen Anime festzustellen. Die Phänomene sind knapp aber genau beschrieben, wie in einem Merktext, während die Quellenangaben relativ, allgemein und undeutlich bleiben. Eine andere Frage ist die wahrscheinlich totale Unabhängigkeit des Lumen von den Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts; denn es kommt keine als Quelle vor. Diese Besonderheit hebt das Lumen Anime gewisser Weise von der Gattung der Moralitatessammlungen ab; es läßt sich damit sowohl als wissenschaftliches Florilegium wie auch als moralische Kompilation interpretieren - eine Eigenschaft des Textes, die der Forschung ein Urteil schwer gemacht hat. Die einzelnen Forscher haben entweder den enzyklopädischen Aspekt (Thorndike) oder das allegorische Ziel betont. Festzuhalten bleibt jedoch die wichtige Rolle, die die Eigenschaften der natürlichen Dinge in der Predigt spielt.
Eine anderes Bild bietet der Liber de exemplis et similitudinibus rerum des Johannes de Sancto Geminiano. Dieses Werk wurde zwischen dem Ende des 13. und dem zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts in der Toskana von Johannes Coppi (ca.1260-ca.1333) verfasst, und sieht wie eine kleine, aber gut strukturierte Enzyklopädie aus. Der Text besteht aus 10 Büchern, und erinnert an die Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts; wir finden in den ersten 5 Büchern die Ordnung der Schöpfung (d.h. Astronomie-Meteorologie, Edelsteine, Pflanzen, Tiere) wieder, während die Teile 6-10 dem Menschen gewidmet sind, und zwar seinem Körper, der Sinne und der Seele sowie seinem Status als sozialem Wesen. Die Anordung der einzelnen Bücher geht von den Elementen der unlebebten und der belebten Natur aus, und erreicht ihren Endpunkt im Menschen, als rationalem und als sozialem, von Gesetzen und Gewohnheiten bestimmten und geregelten Wesen. Innerhalb der einzelnen Bücher wird das Material in alphabetisch angeordnet und von den moralischen Significata ausgehenden Stichwörtern gegliedert, d.h. in eine ähnliche Struktur wie im Lumen Anime gefügt. Jedes Buch in den das komplette Werk enthaltenden Handschriften ist mit zwei Verzeichnissen versehen, die dem Leser einen Schlüssel sowohl für die Realia als auch für die Moralia anbieten. Jedes Stichwort besteht aus einem oder mehreren Beispielen aus demselben Sachbereich (z.B. aus den Edelsteinen), und jedem Beispiel wird ein eigener und auch graphisch abgesetzter Teil des Stichworts gewidmet. Das gewählte Naturbeispiel wird durch seine Eigenschaften mit der moralischen Bedeutung verbunden, und jede einzelne Eigenschaft bekommt ihre spezifische wissenschaftliche Erklärung und ihre Allegorisierung. Jede Moralisation ist von einem biblischen oder patristischen Exzerpt begleitet. Im Gegensatz zum Lumen Anime finden wir hier kein One-to-one-Verhältnis zwischen Exemplum, Eigenschaft und Allegorese, sondern eine Reihe von verschiedenen Eigenschaften wird aus jedem Exempel entwickelt und allegorisiert. Das in den Büchern I-VI enthaltene und moralisierte Material übernimmt Johannes aus dem Werk De Proprietatibus Rerum des Bartholomäus Anglicus. Der Einfluss von De proprietatibus rerum betrifft nicht nur die einzelnen Eigenschaften, sondern auch ihre Anordnung im Lemma, die derjenigen der jeweiligen Kapitel des De Proprietatibus folgt. Ein Beispiel dafür findet sich in den Kapiteln des Buches III des Liber de exemplis, wo die Eigenschaften der Pflanzen nicht nur dem Material, sondern auch der Organisation und der Gliederung der Kapitel des Buches XVII von De Proprietatibus entsprechen (1. Allgemeine Beschreibung der Pflanze; 2. Benutzung in der Ernährung und in der Medizin). Die Abweichungen der Bücher von dem De Proprietatibus sind gering; sie können mit der Benutzung einiger anderer Kompilationen (wie dem Aviarium des Hugo de Folieto, und möglicherweise dem Speculum Naturale des Vinzenz von Beauvais) erklärt werden. Was die Bücher VII-X betrifft, muß die Forschung sie noch grundsätzlich untersuchen und ihre Quellen finden; obwohl die erste Quelle des Buches VII als biblische zu identifizieren ist, bleiben z.B. die von Johannes benutzten juridischen Texte noch zu entdecken, und müßten am ehesten in den blühenden juridischen Studien in der italienischen Universität gesucht werden. Die letzten zwei Bücher dürften sich schliesslich auf homiletische mehr als auf enzyklopädische Quellen beziehen.
Obwohl die Hauptquelle der Eigenschaften des Liber de exemplis Bartholomäus Anglicus ist, läßt sich schwer feststellen, ob die von Johannes gewählte Allegoresen von dessen moralischen Randnoten abhängen. Es kann aber schon angenommen werden, daß Johannes’ Ausblick des Anthropologischen breiter ist als der Bereich der Randnoten im Bartholomäus; falls sie als Quelle gedient haben, waren sie es nur im beschränkten Maß. Für das allegorische Verfahren des Johannes ist es festzuhalten, daß die Moralisationen seiner Schrift raffinierter und theologisch tiefgehender sind als die knappen und naiven Allegoresen des Berengarius de Landorra oder des Gottfried von Vorau. Ausserdem trennt Johannes genauer die Ebenen der Allegorie und der wissenschaftlichen Daten, indem er die Wahrheit der beschriebenen Eigenschaften der Dinge bezweifelt und gleichzeitig gesteht, daß die aus ihnen gewonnene Allegorisierung die Bedürfnisse der Predigt erfüllt. Diese Stellen des Liber de exemplis bedeuten nicht, daß der enzyklopädisch-wissenschaftliche Aspekt des Werkes hinter dem allegorischen Ziel zurücksteht, sondern daß das allegorische Verfahren verschiedene Ebenen und verschiedene mögliche Bezüge zur Enzyklopädie kennt und nicht allein als mechanische Kombination von Symbolen und moralischer Interpretation seinen Wert hat. Ein Vergleich zwischen der von der Allegorese im Lumen Anime und im Liber de exemplis gespielten Rolle zeigt auch, daß die Kompilatoren verschiedene Konzeptionen des enzyklopädischen Werks und verschiedene Ziele hatten: Kernpunkt des Lumen Anime ist nämlich die Beschreibung der natürlichen Phänomene, während der Zweck des Johannes de Sancto Geminiano die Schaffung eines perfekt strukturierten Systems ist, das Enzyklopädie und Allegorese umfassen kann. Dieses System wird nur dadurch realisierbar, daß die wissenschaftlichen Daten in der Form der Proprietaten dargestellt werden, und die Moralisationen Inhalt und Bedeutung der Eigenschaften wiederspiegeln.
Weniges noch zur Überlieferung des Liber de Exemplis. Das Werk ist in ca. 80 Handschriften erhalten, von denen 25 die komplette Fassung enthalten. Einige Zeugnisse bieten Exzerpte, Zusammenfassungen, einzelne Bücher; in einem einzigen Fall werden verschiedene Exzerpte aus mehreren Teilen in einer dem Lumen Anime ähnlichen Neufassung konzipierbar (HS München, BSB, Clm 14057). Das ist der einzige Fall, wo die Struktur des Werkes verändert wird; in allen anderen Zeugnissen bleibt die interne Ordnung der Kompilation stabil. Was die Verbreitung des Werkes betrifft, so fällt auf, daß alle Handschriften aus dem deutschsprachigen Gebiet kommen, d.h. aus Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik, oder aus Polen stammen; nur 8 Handschriften wurden in Italien hergestellt, während aus England, Frankreich, Spanien jegliches Zeugnis fehlt.
Die dritte berücksichtigte Kompilation ist der Liber Similitudinum Naturalium des Konrad von Halberstadt, der möglicherweise in Magdeburg in den vierziger Jahren des 14. Jahrhunderts von dem zukünftigen Vikar des Dominikanerordens für Sachsen verfasst wurde. Der Text besteht aus 6 Büchern, von denen 5 Struktur und Gliederung aus dem Liber de Exemplis übernehmen, und der Astronomie, den Edelsteinen, den Pflanzen, den Tieren, dem menschlichen Körper gewidmet sind. Das Buch VI ist aber ein von dem Liber de Exemplis unabhängiger Teil, der aus der Moralisation einiger aus den pseudoaristotelischen Problemata, aus medizinischen und optischen Werken gewonnener Exzerpte kompiliert wurde. Die Abhängigkeit von dem Liber ist nicht auf die Anordnung der Bücher begrenzt, sondern umfasst auch die innere Struktur: Konrad benutzt diesselbe alphabetische Organisation der Stichwörter, diesselbe Eingliederung der Eigenschaften der natürlichen Dinge, die sich mit der Moralisation verbindet, legt den einzelnen Büchern zwei Verzeichnisse (eines für die Realia, eines für die Moralia) bei. Konrad fügt aber in jedes Buch weitere Lemmata ein, und diese Einschübe entsprechen der Integration neuen Materials in die Struktur des Liber de Exemplis, der Benutzung neuer Quellen, aber auch der Ausdehnung der schon von Johannes berücksichtigen Disziplinen: Im Buch 5 finden wir z.B. nicht nur die schon im Buch 6 des Liber de Exemplis auffindbaren medizinischen Argumente und Auctoritates, sondern auch Exzerpte aus der Ethik, der Politik, der Rhetorik des Aristoteles; diese Stichwörter beziehen sich nicht auf das Schema der moralisierten Proprietas, sondern erinnern uns an die moralischen Florilegien.
Der auffäligste Unterschied zwischen den beiden Werken liegt aber im Bereich der benutzten Quellen: der Liber Similitudinum zeigt nähmlich die Verwendung mehrerer Texten, die nicht nur zur enzyklopädischen Tradition, sondern auch zu den wissenschaftlichen Spezialtexten und zu den in der Universitäten benutzten Handbüchern gehören. Konrad zitiert z.B. die aristotelischen Kommentare des Albertus Magnus, also Texte, die zu dem Curriculum Studiorum der Universität Paris und Montpellier im Fach Medizin gehören, die optischen Werke des Roger Bacon und des Johannes Peckham. Diese Texte sind im allgemeinen dem Kompilatoren chronologisch nah, dem Corpus der normalen enzyklopädischen Quellen fremd; sie weisen auf besondere Kenntnisse in neuen Richtungen der wissenschaftlichen Kultur des 13. und 14. Jahrhunderts hin. Konrad muß aber keine direkte Kenntnis all dieser Werke gehabt haben; in vielen Fällen scheinen die Zitate aus einem wissenschaftlichen Florilegium zu stammen. Konrad scheint aber nicht von einer schon vorhandenen enzyklopädischen Kompilation abhängig gewesen zu sein; auf jeden Fall benutzt er keine Enzyklopädie (wie Johannes de Sancto Geminiano den De Proprietatibus Rerum), obwohl er einige Zitate gemeinsam hat mit dem Speculum Naturale des Vinzenz von Beauvais.
Die von Konrad gewählten Disziplinen lassen erkennen, daß Konrads Ziel nicht die Abfassung einer moralischen Kompilation, sondern einer echten Enzyklopädie war, derer Material die Prediger benutzen konnten. Dieser Eindruck wird durch das Buch 6 bestätigt, dessen Struktur erinnert an ein moralisiertes Florilegium mehr als an eine Enzyklopädie. Es besteht aus 107 Stichwörtern, unter denen 100 den pseudoaristotelischen Problemata gewidmet sind (es handelt sich um einen Text, der echtes aristotelisches Material mit Exzerpten aus der galenischen Medizin, aus der Mathematik und aus der Rhetorik versammelt, und oft in den Handschriften wie eine enzyklopädische Kompilation und nicht wie ein philosophisches Werk rezipiert wird); die übrigen 7 Stichwörter übernehmen Stücke aus den weitverbreiteten medizinischen und optischen Handbüchern. In diesem Teil des Liber Similitudinum gewinnt man den Eindruck, daß das Konzept moralisierbarer Texte und Disziplinen dasjenige moralisierbaren Materials dominiert.
Konrads Versuch, einen anderen enzyklopädischen Entwurf als denjenigen des Liber de Exemplis zu schaffen, wird auch dadurch erkennbar, daß er nicht eigentlicht Proprietäten aufführt, sondern die Eigenschaften beweisenden Autoritäten; sie werden ausführlich wiedergegeben, während der Raum der Moralisation stark reduziert wird. Konrad wählt für die in dem Liber Similtudinum eingefügten neuen Lemmata die One-to-one-Korrespondenz zwischen Exempel, Auctoritas und Moralisation, und zerstört damit das innere Gleichgewicht des Liber de Exemplis. Dieses Verfahren haben wir schon bei den Kompilatoren des Lumen Anime angetroffen; damit ist aber Konrads Kenntnis dieses Werkes noch nicht bewiesen. Es gibt auch einige als moralischen Florilegien konzipierten Stichwörter, die den Liber Similitudinum in die Nähe der literarisch-philosophischen Auctoritatessammlungen rückt. Der Liber Similitudinum zeigt sich also als ein Werk, das sehr bunte Inhalte und eine instabile Struktur hat, und mehrere verschiedene Konzeptionen der Kompilation kombiniert.
Eine Verbreitung hat der Liber Similitudinum nicht erfahren: Eine einzige Handschrift hat uns das Werk erhalten, während jede Spur einer Benutzung durch andere Autoren fehlt. Der einzige Text, der mit dem Liber Similitudinum in Zusammenhang gebracht werden kann, ist das sogenannte, einem Konrad von Halberstadt zugeschriebene Responsorium Curiosorum, das einige gemeinsame Quellen und Exzerpte enthält. Das Responsorium ist aber keine moralisierte Enzyklopädie, sondern eine die Welt der Natur betreffende Quaestionessammlung, die für die Unterhaltung der Prediger mit den Laien zusammengestellt sind.
Folgende Schlüsse lassen sich ziehen: Die hier dargestellten Fallbeispiele zeigen sowohl Gemeinsamkeiten als auch unterschiedliche Möglichkeiten der Benutzung und der Organisation des enzyklopädischen Materials in den Predigerenzyklopädien. Das Lumen Anime, der Liber de Exemplis und der Liber Similitudinum Naturalium haben als gemeinsames Ziel die Wissensvermittlung- und ihre Adaptation für die Predigt. Die Adaptation geschieht nicht nur durch die Aufnahme und die Abschreibung des enzyklopädischen Materials, sondern auch durch die Bearbeitung und die Ergänzung dieses Materials aus den neuen Entwicklungen der Wissenschaft. Ausserdem wird auch die Kombination der wissenschaftlich-enzyklopädischen Daten nicht mechanisch durchgeführt, sondern sie produziert konkrete Text-und Lemmataformen.
Gemeinsames Kennzeichen sind in den hier berücksichtigten Texten die alphabetische Anordnung der Stichwörter sowie die gleiche innere Organisation und die graphische Darstellung der einzelnen Abschnitte. Der Grund dafür liegt in einer Erleichterung nicht nur für das Nachschlagen und die Benutzung, sondern auch für das Memorisieren der Inhalte. Dem Gedächtnis kommt nämlich eine neue Wertschätzung unter den Predigern zu, und das hat die Entwicklung neuer mnemotechnischer Systeme als Konsequenz, die auch die graphische Darstellung der Inhalte auf der Handschriftenseite beinflussen.
Für die eigene Identität jeder Kompilation hat sowohl die Wahl und die Benutzungsweise der Quellen als auch die Bewertung des enzyklopädischen und des allegorischen Aspektes eine wesentliche Rolle gespielt. So war der enzyklopädische Text nicht die einzige Quelle der Kompilation, sondern der Kompilator beansprucht einem gewissen Grad seine Unabhängigkeit und seine Originalität, z.B. indem er neue Quellen integrierte. Deswegen sind die Moralitatessammlungen keine Abschreibung der Enzyklopädien, sondern ein Zeugnis seiner Vitalität. Johannes de Sancto Geminiano ist kein Abschreiber von De Proprietatibus Rerum, Konrad von Halberstadt versucht, Materialien verschiedenes Ursprungs zu integrieren, die Kompilatoren des Lumen Anime verfassen ein von den Enzyklopädien unabhängiges Werk. Damit zeigen auch die Kompilatoren den fortlaufenden Prozess der Integration neuer Wissenschaftstexte in das Corpus der Enzyklopädie. Die pseudoaristotelische Problemata werden z.B. erst durch eine griechisch-lateinische Übersetzung von Bartholomäus von Messina im Abendland bekannt, und erst seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts gehören sie zum Background der Enzyklopädie. Dasselbe geschieht möglicherweise mit den Texten des Albertus Magnus. Die Integration neuen Materials führt auch zu einer neuen Bewertung der Auctoritas im Verhältnis zu den wissenschaftlichen Daten. Kernpunkt des Liber de Exemplis ist die Allegorisierung der Eigenschaften, Ziel des Lumen Anime ist die Darstellung eines natürlichen Phänomens zusammen mit einer Moralisation in einer Art Merktext. Eine andere Perspektive gewinnt man aus dem Liber Similitudinum Naturalium, wo die Auctoritas eine große Rolle spielt, und der Schwerpunkt ist das Zusammenstellen von verschiedenen Exzerpten aus verschiedenen Auctoritäten und aus verschiedenen Disziplinen liegt, die von den Predigern benutzt werden können: das Ergebnis ist eine Art von allegorisierter Bibliothek.
Die verschiedenen enzyklopädischen Konzepte der Kompilatoren sind schon aus den Prologen der Werke zu ersehen, von denen eine kurze Zusammenfassung gegeben wird. Schwerpunkt der verschiedener Prologe des Lumen Anime [A und B (C hat keinen Prolog)] ist die Tätigkeit der Excerptatio und Compilatio, und die praktische Nutzbarkeit des Werkes.
Gottfried von Vorau behauptet z.B: Nucleus etenim atque id quod dulcius in cunctis libris reperi, volumini interseritur pretaxato. Nullique ambiguum, quin maior utilitas quam estimari valeat ex hoc nobis volumine elucescat. Miraque voluptas et declaratio rationis industrieque humane sapienti ex hoc libro homini ridiculum autem ignoranti. Presertim cum ex cunctis que habere potui summulis, libris, opusculis, sermonibus et voluminibus universis quod melius, verius, dulcius quoque et utilius fuerat, hoc excerpsi ( zit. nach Rouse 1971, S. 75).
Die Nützlichkeit (utilitas) des Werkes ist ein Aspekt, auf den auch Konrad von Halberstadt hinweist; trotzdem betont er stärker den Wert der Natur als Weg für den Menschen, um Gott loben und verehren zu können. Diese Aussage ist in den enzyklopädischen Werken stark verbreitet, z.B. in den Prologen des Bartholomäus Anglicus und des Thomas von Cantimpré. Eine andere Perspektive zeigt der lange und komplexe Prolog des Liber de Exemplis, wo Johannes de Sancto Geminiano die Möglichkeit des Menschen behandelt, die Natur wahrzunehmen und moralisch zu interpretieren.
Die verschiedenen Beispiele in dieser Hinsicht si non semper vel ex toto sunt vera, ex parte tamen ut in pluribus vera reperiuntur. Nec debet respuere sapiens ea, que scripta reperit, ex eo quod ipsemet talia non probavit, sed potius estimare de talibus quod multa, que ipse non vidit, alii sunt experti. (zit. nach der Ausgabe Deventer 1477, unfoliiert).
Schwerpunkt des Prologes ist das allegorische Verfahren mit seinen Möglichkeiten, seinen Zielen, seinen Grenzen; die wissenschaftlichen Daten sind sein Background, aber kein Kardinaler Punkt, ebenso wie die Quelle, die Auctoritas.
Die Besonderheit der verschiedenen Kompilationen betreffen schliesslich nicht nur die Quellen und die Struktur, sondern wesentlich das enzyklopädische Konzept der Werke, das sich als für die Predigt bestimmte Materialssammlung (im Liber Similitudinum Naturalium), als wissenschaftlich-moralisiertes Florilegium (Lumen Anime), als enzyklopädisch-allegorisch geschlossenes System (Liber de Exemplis) zu erkennen gibt.
Der Bereich der moralisierten Enzyklopädien ist deshalb lebendig, komplex und stellt viele Fragen. Diese betreffen in erster Linie das Verhältnis der Kompilatoren zu ihren Quellen, deren Fortleben sie zeigen; zweitens, die verschiedenen Strukturen und ihr Verhältnis zu den Bedürfnissen des Publikums; drittens, das Konzept der wissenschaftlichen Daten im Zusammenwirken mit dem allegorischen Verfahren; viertens die Rolle der Auctoritas und die Exzerptionstechnik. All die sind Probleme, die in diesem Überblick nur angedeutet werden konnten.
Literatur zum Thema ‘moralisierte Enzyklopädien’:
Jacques Berlioz und Marie-Anne Polo de Beaulieu, Les récueils d'exempla et la diffusion de l'encyclopédisme médiéval, in: L'Enciclopedismo Medievale. Atti del Convegno San Gimignano, 8-10 Ottobre 1992, hsg. von Michelangelo Picone, Ravenna 1994, S.179-212.
Johannes Thomas Welter, L'exemplum dans la littérature religieuse et didactique du Moyen Age, Paris-Toulouse 1927, bes. das Kapitel ‘L’exemplum dans les recueils d’exempla moralisés’, S.335-375.
Heinz Meyer, Die Predigerenzyklopädien. Textsorten und Gebrauch unter methodischen Aspekten, in Pragmatische Dimension mittelalterlicher Schriftkultur (Münster, 26.-29. Mai 1999), in Druckvorbereintug.
Über das Lumen Anime:
Johannes Thomas Welter, L'exemplum…, S.341-344.
Lynn Thorndike, The History of Magic and Experimental Science, New York 1934, Bd.III, S.546-560.
Richard H.Rouse und Mary Ann Rouse, The Text called Lumen Animae, in: "Archivum Fratrum Praedicatorum" 41, 1971, S.5-113.
Über den Liber de exemplis et similitudinibus rerum:
Johannes Thomas Welter, L'exemplum…, S.340-341.
Massimo Oldoni, Giovanni da San Gimignano, un enciclopedico dell'anima, in L'Enciclopedismo medievale, Atti del Convegno San Gimignano, 8-10 Ottobre 1992, hsg. von Michelangelo Picone, Ravenna 1994, S.213-228.
Baudouin van den Abeele, Moralisierte Enzyklopädien in der Nachfolge von Bartholomäus Anglicus: das ‘Multifarium’ in Wolfenbüttel und der ‘Liber de exemplis et similitudinibus rerum’ des Johannes de Sancto Geminiano, in Der Wandel der Enzyklopädie vom Hochmittelalter zur frühen Neuzeit (Münster, 29.-30. November 1996), hsg. von Christel Meier, München 2002, S.279-304.
Über den Liber Similitudinum Naturalium:
Johannes Thomas Welter, L'exemplum…, S.344-345.
Iolanda Ventura, Der ‘Liber Similitudinum Naturalium’ Konrads von Halberstadt und seine Quellen: ein Fallbeispiel aus der naturwissenschaftlichen Textüberlieferung im Spätmittelalter, in “Frühmittel-alterliche Studien” 35.2001 (im Druck).
Beispiele der Organisation der Stichwörter in der alphabetisch-organisierten Prediger-enzyklopädie.
Aus dem Lumen Anime:
(Fassung A): [Gottes Liebe wird mit dem Brand verglichen]. Archita Tharentinus in libro de eventibus in natura. Incendio grandi facto rubescit super zenith nostrum perpendiculariter totum celum. Sic, intra nos facto incendio dei amantissime caritatis fulgebit in nos mox celum beatissime trinitatis. Unde Damascenus in libro contra errores grecorum: Cumque divina accendimur caritate mox toti intus perfundimur felicissima caritate. (zit. nach Rouse 1971, S. 17)
(Fassung B): [Christus wird mit dem Wurm verglichen]. Ysidorus in Historiis Naturalium: Vermis quidam circa adventum estatis sine proiacente semine invisibiliter nascitur sine sanguine, occultatur pavimentis parietibus arboribusque et tectis, moritur in hyeme, reviviscit in vere et volat sereno aere existente. Sed tunc vermis est ipse Christus qui non hominem se sed vermem asseruit per psalmistam. Vermis etiam omnis cum pungitur contrahit se ad testam, ut ait Philosophus in sexto animalium libro. Sic et ipse Christus verbis compunctus blasphemie contractum fecit patientie infinite. Vermis igitur Christus est. Applica sic: Christus itaque circa adventum plenitudinis temporis nascitur, sine ullo virili proiacente semine, invisibiliter ac incomprehensibiliter a tam humana quam angelica ratione, sine sanguine fomitis et peccati […]. (zit. nach Rouse 1971, S. 32 Anm. 53).
Aus dem Liber de Exemplis et Similitudinibus Rerum:
Anima debet assimilari vitro. Primo, quia vitrum est summe perspicuum. Nam in aliis vasis metallicis quidquid intus ponitur, visui occultatur. In vitro autem quilibet liquor positus, qualis est intus, talis exterius oculis representatur, ut dicit Isidorus. Hec perspicuitas fit in anima penitente, quando quidquid est intus in conscientia, extra per confessionem proditur iudicio sacerdotis. Matthaeus 8: Vade, et ostende te sacerdoti. Proverbiis 23: Splendet in vitro color eius, scilicet vini et similiter cuiuslibet alterius liquoris immissi. Secundo, quia vitrum est totaliter lumini pervium. Nam massa vitrea, que nunc fit ex cineribus arborum et herbarum, per fortissimam ignis conflagrationem, ex quibus cineribus fit vitrum, sicut nunc utrumque admiscetur cum in fornace fuerit liquefacta et perfecte depurata, contrahit substantie puritatem et perspicuitatem, propter quam totaliter a lumine penetratur. Similiter anima per munditiam puritatis et perspicuitatem simplicitatis efficitur lucis divine gratie plenissime susceptiva. Apocalipsi 25: Platee civitatis aurum mundum et tamquam vitrum perlucidum. […] (zit. nach der Ausgabe Deventer 1477, unfoliiert).
Aus dem Liber Similitudinum Naturalium:
[25] Fortitudo est sicut lapis, qui memphites dicitur. Qui, ut dicit Aaron et Evax, [qui] tritus et aque mixtus in potum datur urendis et secandis, qui talem facit insensibilitatem, ut ille non sentiat penam vel alios cruciatus. Sic fortitudo in sanctis martiribus fecit, ut exteriores cruciatos non sentirent vel non curarent. Unde Tiburtius ‘Videtur mihi quod super roseos flores cedam’, quando candens ferrum transire cogebatur, et in aliis. ¶ Item sicut berillus. Qui, ut dicit Aaron et Evax, [qui] gestatus facit vincere hostes et fugere, et reddit inimicum mitem. Sic fortitudo et cetera. Item, quia dicunt aliqui medici hoc, quod valet contra pigriciam. Sic fortitudo tollit pigriciam, dans efficaciam agendi. ¶ Item est sicut lapis gagatus. De quo dicit Albertus in experimentis quod facit victoriosum contra adversarios, quod aliqui philosophi dicunt expertum in Alexandro principe, qui, quamdiu eum portavit, semper victoriam habuit. Est autem diversi coloris sicut pellis capreole. Sic fortitudo habentem victoriosum reddit contra hostes, mundum, dyabolum et carnem et cetera.
Struktur und
Gliederung des Lumen Anime (Fassung A, B, C), des Liber de
Exemplis et
Similitudinibus Rerum, des Liber Similitudinum Naturalium.
Lumen Anime.
Fassung A:
1. Sammlung von Exempla aus
dem Bereich der Natur (73 Stichwörter).
Fassung
B:
1. Sammlung von Exempla aus dem Bereich
der Natur (76 Stichwörter).
2. Traktat über
Tugenden und Laster (Etymachia).
3.
Auctoritatessamlung moralischer Bedeuntug (267 Stichwörter).
Fassung C:
1.
Sammlung von Exempla aus dem Bereich der Natur (60 Stichwörter).
Liber de Exemplis et Similitudinibus Rerum.
Buch 1.:
Astronomie, Astrologie, Meteorologie.
Buch 2.: Edelsteine und
Metalle.
Buch 3.: Pflanzen.
Buch 4.: Wasser- und Lufttiere.
Buch 5.:
Erdtiere.
Buch 6.: Mensch und menschlicher Körper.
Buch 7.: Träume und
Visionen.
Buch 8.: Gesetze.
Buch 9.: Künste und Artificialia.
Buch 10.:
Gebräuche und Handlungen.
Liber Similitudinum Naturalium.
Buch 1.:
Astronomie, Astrologie, Meteorologie.
Buch 2.: Edelsteine und
Metalle.
Buch 3.: Pflanzen.
Buch 4.: Wasser-, Luft- und Erdtiere.
Buch
5.: Mensch und menschlicher Körper.
Buch 6.: Moralisation einiger Exzerpte
aus den Problemata des Pseudo-Aristoteles, aus medizinischen und optischen
(perspectiva) Texten.
In preparazione.